Archiv zum Thema: Jugend von heute

Coming-Out-of-Age

Das literarische Leporello der 11. Klasse gleicht einer Stock-Photo-Sammlung an künstlichen Weisheiten.
Der Kontext pasteurisiert, der Sinn ultra hocherhitzt, alle Verben verbrannt (das Ergebnis eine 2-).

Was man als Deutschlehrer ignorieren muss: Meine universelle Weisheiten sind jetzt noch länger haltbar. Die bedeutungsleere Worthüllen sind recyclebar, aber kein veganes Gewächshausgemüse ist gehaltvoller als das abgrundtiefe Thema, das die Menschheit schon immer bewegt hat. Es kann nicht verfehlt werden, aber es ist ein himmelhoher Fall.

Das Phrasenschwein der Konsumkritik quillt über vor 50-Cent-Münzen. Individualismus ist schon lange Versandkosten frei lieferbar, doch passt er nicht in meine innere Marktlücke. Kein Mittelmaß gleicht dem anderen. Eichung per Gesetz verboten.

Das Leben studiert, überfliegen Dauerbrenner dann im Billigflug die 70-Stunden-Woche, landen mit 25 ausgebrannt oder sind vor dem Umschwung ausgestiegen. Ziehen ein ins Reihenhaus auf der einsamen Insel.

Ich träume über mich hinaus und nur mein Geist wächst im gleichen Tempo mit. In einst unerreichten Höhen sah ich mich früher selbst von unten. Wir sind die selbe Person, aber wir gleichen uns nicht mehr. Die Zeiten sammeln sich zwischen uns.

Weisheit gibt es weder per Rezept noch im Testament, sondern nur mit der Zeit. Meine innere Zeitreise umspannt Menschenleben, Generationen sterben in mir und werden wieder geboren. Plötzlich existiert alles nebenher.

Heute eine neue Erkenntnis, seit Jahren eine alte Weisheiten. Notiert auf Schmierzettel, flattern sie mir fremd entgegen, wenn ich meinen Geist auswringe. Ich führe kein Tagebuch, ich entdecke mich immer wieder aufs Neue.

Mein Geist gebärt dem Tod eine Mehrzahl. Mein Körper klammert sich noch an das erste Leben. Unsterblichkeit ist ein Fluch, den jeder Aussprechen will. Der Tod eine Reise, die aus dem Katalog gestrichen wurde. Vom Segen des Alterns kann keiner etwas hören, zu laut dröhnt die Schönheit der Jugend.

Menschenskind ist groß geworden. Jetzt will es leben. Auf dem faltigen Papier nur Ratschläge von Alten, aber Erfahrungen sind gelebtes Wissen.

Wenigstens Titten.

Treue ist ihm ganz wichtig.

Er ist 16, hatte gerade sein Coming Out, ist viel lieber passiv als aktiv. Von OneNightsStands hat er die Schnauze voll. Er sucht die große Liebe, so alt wie er soll er sein.

Treue ist ihm ganz wichtig. Fremdgehen darf sein Freund nicht. Vielleicht sieht der Vierte das ja genau so.

Checkliste: Outing

Er hat sich bei sich selbst geoutet. Er hat sich so akzeptiert, wie er ist. Er hat es seinen Eltern gesagt, seiner Mutter und seinem Vater. Seinen Freunden, seinen Schulkameraden, seinen Bekannten. Alle sollen es wissen, und alle wissen es jetzt.

Er ist stolz und freut sich. Denn jetzt, jetzt können die süßen Jungs kommen!

Probieren über Studieren?

Neulich hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem Freund.
Wir erzählten uns gegenseitig von unserem Liebesleben. Er schien die Jungs wie Unterwäsche zu wechseln, probierte alle einmal an, zog alle einmal aus. Ob Sex oder Beziehung, nichts war von Dauer.
Dann sollte ich von mir erzählen. Doch da gab es nichts. Keinen Sex – und schon gar keine Beziehung.
„Warum?“, wollte er wissen.
„Ach weißt du“, ich nachdenklich, „irgendwie finde ich nicht den Richtigen.“
Da verstand er und sagte: „Ach… Ich auch nicht.“